Das sieht nicht gut aus

26.10.2018 17:23

Der französische Bildungsminister Jean-Michel Blanquer steckt in einer Bredouille. Ihm setzt die Diskussion über Gewalt gegen Lehrer zu. Nun ist das Thema an sich nicht neu; dass sich Schüler gegen Lehrer aggressiv verhalten, ist seit langer Zeit ein Problem. Aber die Diskussion in Frankreich wurde durch einen Vorfall ausgelöst, der ein extremes Beispiel von Aggression dokumentiert.

Der Vorfall wurde auf Video aufgenommen wurde und fand in sozialen Netzwerken rasch große Aufmerksamkeit. Es zeigt einen Schüler, der seine Lehrerin in der Haltung eines "Gangsta" mit einer Pistole bedroht, die er auf die Schläfe der Lehrerin richtet. Sie sollte einen Eintrag im Klassenbuch korrigieren - von "abwesend" zu "anwesend". Der 16-jährige Schüler war angeblich ein notorischer Zuspätkommer. Auf dem Video ist Lachen über die Aktion zu hören.

www.heise.de/tp/features/Frankreich-Lehrer-die-der-Gewalt-von-Schuelern-ausgesetzt-sind-4205031.html

Das geht alles gerade massiv den Bach runter, was Schulen betrifft.

Ich sehe das als gewollt an.

Die ganzen Probleme hatten wir ja an der Schule früher auch, nur hat man die einfach viel besser gelöst, bzw. erst gar nicht aufkommen lassen. Da gab es Lehrer, die auch mal durchgegriffen haben, Eltern, die es als schweren Gesichtsverlust erlebten, wenn der Sproß sich ungezogen benahm und auch richtig einschüchternde Maßnahmen.

In den 80er Jahren gab es hier mal einen echt üblen Übergriff auf einen Schüler. Vier Jahrgänge über mir haben die einen Mitschüler geschlagen, einen Judenstern auf den Rücken gemalt und den richtig drangsaliert.

Danach waren die Stasi, die Staatspolizei und der Staatsanwalt in der Schule. Das war richtig heikel. Und nur weil sich der Direktor massiv für die Täter einsetzte, kamen die mit einem blauen Auge davon.

Man ist hier also irgendwelchen gewalttätigen Umtrieben, vor allem, wenn sie politisch motiviert waren, mit aller Härte begegnet und das hatte schon sehr einschüchternde Wirkung auf die Schüler.

Wenn also die Gewalt zunimmt und immer schlimmer wird, dann ist das auch ein Zeichen von zunehmender Unordnung / Entropie. Da gerät was aus dem Ruder und entwickelt sich in eine falsche Richtung. Und genau dann muss man auch frühzeitig reagieren.

Das macht man aber oft nicht.

Die Reaktionen auf das Video berühren gesellschaftlich wunde Punkte, die zu den heißen Streitthemen der Auseinandersetzungen zwischen den politischen Lagern - nicht nur in Frankreich - gehören: Die Realitätsverleugnung eines karrierebeflissenen "Establishments", der Abschied vom Modell der väterlichen Autorität, übermäßiger Schutz und zu viel Toleranz gegenüber Kindern, die sich in der Folge als "Tyrannen" gebärden - in der höflicheren französischen Sprache wird das Phänomen mit l'enfant roi umschrieben -, und damit einhergehend der Vorwurf der Laxheit.

Um Kinder gut zu begleiten, müssen sich die Eltern erstmal einig sein. Da hapert es ja schon oft.

Ich hatte mal eine Freundin mit Kind, die mir jedesmal in den Rücken fiel, wenn ich was zu dem Kind gesagt habe. Das empfand ich als regelrecht entmännlichend und es kommt zu einer richtigen Vertrottelung des Männlichen (genau das, was man überall in der Werbung sieht) und ich bin dann auch bald gegangen. Man kann durchaus anderer Meinung sein, nur darf man nie den Fehler machen, das vor dem Kind auszutragen. Sondern man spricht dann an anderer Stelle darüber. Macht man das so wie sie damals, braucht man sich nicht wundern, wenn die Kinder dann über alle Tische und Bänke gehen und sie dann schlussendlich alleine da steht oder eben nur einen "halben" Mann abkriegt. Denn kein Mann, der sich seiner Männlichkeit auch bewusst ist, wird solche Vertrottelung akzeptieren.

Und wenn sich die Eltern einig sind, zumindest vor den Kindern, ist schon mal der erste große Schritt gemacht.

Wenn sich dann auch noch die Schule und die Eltern vor dem Kind einig sind, ist eigentlich alles gewonnen.

Auch hier: es ist wichtig, dass man vor den Kindern Einigkeit demonstriert, hinter den Kulissen kann man gerne diskutieren und neue, vielleicht bessere Lösungen und Verhaltensweisen finden. Aber wenn die Mutter den Vater "entmännlicht" oder die Eltern die Schule "entmachtet", dann wird man Chaos und Respektlosigkeit ernten.

Kommt dann noch eine falsche politische Korrektheit und zunehmende Verstädterung dazu, na ja, dann kriegt man genau das, was man heute vielerorts hat.

Wenn man in dörflichen Gemeinschaften aufwächst, erzieht einen das ganze Dorf. Jeder kennt dich, jeder kennt deine Eltern, und wenn man Scheisse baut, weiß auch jeder gleich wo er hingehen muss. Da brauchts dann auch keine Polizei, weil Kinder früh lernen, dass es in der Familie und auch ausserhalb Grenzen gibt.

Die werden ausgetestet, klar, aber da man klein und jung ist und man weiß, wer man ist, werden die einem auch ausserhalb der Familie aufgezeigt.

In Städten läuft das ja oft anders. Da gehen die raus und dann sind die Grenzen weg. Oft ist dann die Polizei die einzige Möglichkeit, das noch irgendwie aufzufangen.

Kommen dann noch Drogen, ein abscheulicher Rapperkult und Machogehabe dazu, ist der Verfall eigentlich perfekt.

#PasdeVague ist der Hashtag für die Welle der Empörung, mit der die französischen Lehrkräfte auf ihre Situation aufmerksam machen. Dass sie dort von ihren Gewalterfahrungen mit Schülern berichten, davon dass sie körperlich bedroht werden - "draußen setzt es Schläge"- , dass sie tatsächlich auch geschlagen werden, dass sie sexuell belästigt werden ("Du kannst mir einen blasen"), dass ihr Auto demoliert wird, sie auf unterschiedlichste Weise eingeschüchtert und bedroht werden, ist bei aller Härte, die allein darin steckt, nur ein Aspekt.

So sieht der Verfall dann aus.

Eine Gesellschaft im Niedergang.

Man ist anscheinend auch nicht fähig, dass irgendwie in den Griff zu bekommen. Zu groß wären wohl die Anstrengungen und wie so oft müsste man sich mit bitteren Wahrheiten und Einsichten auseinander setzten und das will man nicht. Das wird dann zumeist auch schnell politisch und dann ist man auch schnell wieder in irgendeiner Ecke und wird so zum Schweigen gebracht.

Wie gesagt, dass alles gab es auch früher, nur hat man das eben in den Griff bekommen. Es gab aber auch ein anderes Miteinander.

Politisch ans Eingemachte geht die #PasdeVague-Empörung, weil sie das "man" im Visier hat: die Vorgesetzten in der Hierarchie, die Schulleiter, die Gremien, die höheren Ebenen in der Ministerialbürokratie, die solche Klagen zu ersticken versuchten und nicht selten sogar die Lehrkräfte ihrerseits bedrohten: "Wenn sie damit nicht fertigwerden, dann müssen Sie sich einen anderen Job suchen". Der klassische Chef-Satz ...

Jeder gegen jeden!

Kommen wir nochmal zurück zum Märchenerzähler in der schönen Fabel über die Memik:

Der erste Märchenerzähler mit seinen ungünstigen Memen hat im Wirtshaus eher ein Klima des Gegeneinanders, des Mißtrauens, der Vereinzelung und Vereinsamung bzw. Versinglung geschaffen. Die Menschen nerven sich gegenseitig, weswegen man sich voneinander zurückzieht. Die Gäste erleiden einen Endorphin-Mangel und gieren von daher unbremsbar nach Suchtstoffen oder allgemein Ersatz-Befriedigungen. Ihr Verstand wird ausgeschaltet. Sie lassen sich auch nicht durch Krankheitsrisiken von dem Konsum der Genußgifte abhalten. Sie sorgen für den bestmöglichen Umsatz.

Genau das sehen wir hier.

Nach was weiss ich wievielen Jahren Marktwirtschaft, wo es eben immer nur um Gewinn und Wachstum geht, sehen wir nun die Auswirkungen der Selektion auf ungünstige, aber umsatzfördernde Meme.

Genau so sieht das dann aus.

Das Ergebnis sind maximal frustrierte Jugendliche, die dann Drogen nehmen und sich fürchterliche Rap-Musik reinziehen, frustrierte Lehrer, die dann saufen, rauchen und shoppen, um sich abzureagieren, frustrierte Eltern, die dann ihrerseits den Frust mit Kaufen / Genussgifte befriedigen.

Und das geht solange, bis es mal so schlimm wird, dass man um die bitteren Einsichten nicht mehr drum rum kommt. Nur kann davor eben der totale Zusammenbruch liegen.

Indessen stellte Bildungsminister Jean-Michel Blanquer heute den x-ten Plan für eine bessere und sicherere Schule vor: Der Respekt vor den Lehrkräften soll im "Herz des Unterrichts" stehen. Geholfen werden soll den Lehrern künftig mit einer mobilen Einsatzgruppe ("équipes mobiles de sécurité) - mit Mitgliedern aus dem Erziehungssektor ("personnels de l’Éducation nationale"), die in Sicherheitsfragen ausgebildet werden.

Wir reden hier von Kindern und Jugendlichen...

Was muss schon alles kaputt gegangen sein, dass es soweit kommt?

Ganz widerlich finde ich, dass viele PolitikerInnen was von MultiKulti, Toleranz und Vielfalt auch an deutschen Schulen schwafeln, ihre Kinder aber auf englische oder deutsche Privatschulen schicken.

(Hier, hier und hier)

Also ich finde diese Heuchelei und Doppelbödigkeit einfach nur widerlich.

Pfui!

Zudem sollen Polizeikräfte in der Nähe von Schulen verstärkt werden, um gegen "Drogenhandel, Bandenkämpfe und den islamistischen Fundamentalismus" vorzugehen.

WTF.

Wisst ihr, ich habe oft unsere Gesellschaft wie ein Restaurant empfunden. Vorne ist alles nett ausgeleuchtet, gemütlich eingerichtet, ein Kellner kommt und serviert die Speisen an gutaussehende Gäste. In der Küche herrscht Stress, es dampft und zischt, man gröhlt sich an, um das Ding am Laufen zu halten und hinterm Restaurant stinkts wie Scheiße und die Ratten wühlen im Müll. Nur das dürfen die Gäste nicht sehen.

Und jetzt fängt es immer mehr an zu stinken und die Ratten laufen schon den Gästen um die Beine.

Ich bin mal gespannt, wie man das alles wieder einfangen will.

—————

Zurück