Jäger und Sammlerkost

25.04.2015 12:24

Bei der Recherche zum Thema Jäger und Sammler bin ich noch auf diese recht informative Seite gestoßen:

www.rosenfluh.ch/rosenfluh/articles/download/6376/Essen_wie_in_der_Steinzeit__Darwin_als_ultimativer_Ernahrungsberater__Teil_3.pdf

Mal davon abgesehen, dass eine "Steinzeiternährung" mit entsprechenden Ernährungsempfehlungen Schwachfug ist, bietet die Seite aber einige nette Infos zur Ernährung direkt aus der Natur in den jeweiligen Naturräumen.

Und es lässt sich folgendes Aussagen:

  • Lebensmittel tierischer Herkunft, insbesondere solche mit hohem Fett- und damit Energiegehalt, sind bei allen Jäger-und-Sammler-Völkern von Bedeutung (35–36).
  • Es existiert kein «Naturvolk», das sich ausschliesslich von pflanzlicher Kost ernährt. Daraus sollte jedoch nicht gefolgert werden, dass eine Jäger- und Sammlerkost per se fleischund fischreich ist. Wenngleich die Mehrzahl der weltweiten Wildbeuterkulturen (85%; n = 133) einen beträchtlichen Teil ihrer Nahrung aus tierischen Quellen (≥ 66 %) beziehen (26), ist bei afrikanischen Ethnien ein Grossteil der Nahrung pflanzlicher Herkunft (etwa 60–80%).
  • Es besteht also eine grosse interkulturelle Varianz.
  • Honig ist bei vielen Wildbeuterkulturen ein wichtiger Energielieferant. Bei den Hadza entfallen in der Trockenzeit beispielsweise 10 bis 20 Gewichtsprozent der Gesamtnahrung auf diese Energiequelle. Beeindruckend sind auch die Daten zum Honigverzehr der Efe (syn.: Ewe, Ebwe oder Eve), einer westafrikanischen Ethnie. Zwischen Juli und August verzehrt jede Person im Schnitt etwa 620 g Honig pro Tag (Trockengewicht); das entspricht einer Energiezufuhr von rund 1900 kcal pro Tag. Damit decken die Efe rund 80 Prozent ihres Gesamtenergiebedarfs über Honig. Auch die Angehörigen der Ache verzehren Honig in grossen Mengen – im Durchschnitt werden damit rund 1000 kcal täglich zugeführt (37).
  • In Abhängigkeit vom Konsum pflanzlicher und tierischer Nahrung sowie vom Honigverzehr variiert die Aufnahme der Hauptnährstoffe (Kohlenhydrate, Fett und Protein) sowohl zwischen als auch innerhalb der Ethnien.
  • Ein typisches, für alle Jäger- und Sammlerkulturen charakteristisches Nährstoffprofil lässt sich nicht ermitteln. Global betrachtet weist zwar ein Grossteil der Wildbeutergesellschaften eine – verglichen mit offiziellen Empfehlungen – geringe Kohlenhydrat- (< 40 Energie%) und moderat erhöhte Proteinzufuhr (≥ 20 Energie%) auf. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass einige Ethnien wie zum Beispiel die ostafrikanischen Hadza einen Grossteil ihrer  Nahrungsenergie über den Konsum kohlenhydratreicher, proteinarmer Lebensmittel (Wurzelknollen, Beeren, Honig) deckt. Zudem wurde Honig in den gängigen Modellberechnungen üblicherweise nicht berücksichtit, sodass es zu einer systematischen Unterschätzung der Kohlenhydrataufnahme gekommen sein dürfte.
  • Wie am Beispiel der Hadza deutlich wurde, ist die Verfügbarkeit einzelner Nahrungsmittel grossen saisonalen Schwankungen unterworfen.
  • Je weiter entfernt vom Äquator, desto grösser der Beitrag des Fischfangs und desto geringer der Anteil pflanzlicher Nahrung.

Zum Thema Honig der Hazda habe ich noch folgende Info gefunden:

Hazda sammeln Honig von 7 verschiedenen Bienenarten einige stechen, andere nicht.

Wild gesammelter Honig liefert zusätzlich noch Bienenlarven, die eine gute Quelle von Protein, Fett, Mineralstoffen und B-Vitaminen sind. (Quelle) (vor diesem Hintergrund ist es wirklich interessant, dass ich bei meiner fruchtlosen Diät die süssen Früchte eigentlich nie vermisse, wenn dann eher die Wildfrüchte und wenn, dann wohl eher mit Wabenhonig "Ausnahmen" machen würde, bzw. im Dezember ja mal gemacht habe.) 

Sehr interessant, eben auch vor dem Hintergrund der "evolutionärer Anpassung" sind folgende Aussagen:

Die in Teil 2 dieser Beitragsserie gezeigten Daten zur Menschwerdung (1) verdeutlichen, dass unter evolutionsgeschichtlichen Gesichtspunkten allenfalls ein kleiner Teil der rezenten Jäger- und Sammlerkulturen von Relevanz sein kann. Schliesslich besiedelte der prähistorische H. sapiens ursprünglich nur die (ost)afrikanischen Gebiete. Folgt man einigen Vertreten des Paläokonzepts, dann soll die «richtige» PaläoDiät am ehesten jener Ernährungsweise entsprechen, wie sie vor etwa 50 000 Jahren für unsere Vorfahren in Ostafrika typisch gewesen ist (8). Dann aber stehen für die Rekonstruktion der ostafrikanischen Paläo-Ernährung im Grunde nur wenige rezente ostafrikanische Wildbeuterkuluren zur Verfügung: Hadza, Dorobo und Mbuti. Mit einem Subsistenzverhältnis von 60 bis 80 gesammelter und 20 bis 40 Energieprozent erjagter Nahrung wäre die Kost als vorwiegend pflanzlich zu charakterisieren. Für die Makronährstoffe würde sich eine Relation von 35 bis 50 Energieprozent Kohlenhydrate, 20 bis 30 Energieprozent Proteine und 30 bis 35 Energieprozent Fett ergeben (15). Mit der Einsicht vor Augen, dass die Ernährungsweise des archaischen, ursprünglich in Ostafrika beheimateten H. sapiens ähnlich variabel gewesen sein muss, wie sie für moderne Jäger und Sammler beschrieben wurde (siehe oben), wurden kürzlich detaillierte Neuberechnungen zur paläolithischen Kost angestellt. Basierend auf der plausiblen Annahme, dass der Anteil tierischer und pflanzlicher Nahrung zwischen 30 und 70 Energieprozent schwanken konnte, ergaben sich für die Hauptnährstoffe folgende Schwankungsbreiten: 20 bis 72 Energieprozent Fett, 19 bis 48 Energieprozent Kohlenhydrate und 8 bis 35 Energieprozent Proteine (gemittelte Werte: 30–39 Energie% Fett, ca. 40 Energie% Kohlenhydrate und 25–29 Energie% Protein (38).

Folgende Aussage erinnert mich stark an die Rohkostszene! LOL Ist doch erfrischend, dass es anderen auch so geht!

Angesichts dieser widersprüchlichen Aussagen muss letztlich unklar bleiben, wie eine evolutionsbiologisch fundierte «Entscheidungshilfe für die Aufstellung von Empfehlungen für eine vollwertige Kost» (7) im Detail ausfallen soll. Konkret gefragt: Sollte die Nahrung des Menschen eher pflanzlich ausgerichtet sein und einen höheren Kohlenhydratanteil aufweisen? Oder sollte sie umgekehrt eher fleisch- und fischreich sowie fettliberalisiert und kohlenhydratreduziert sein, wie es von Low-Carb-Befürwortern empfohlen wird? Wie immer die Antwort ausfallen mag: Ein Blick auf die Heterogenität der Jäger-und-Sammler-Ernährung zeigt, dass beide Positionen am Ende für sich in Anspruch nehmen können, die jeweilige Ernährungsweise sei «paläolithisch».

Nachfolgend noch ein Foto einer Wildfrucht aus Afrika. Erinnert eher an schwedische Mehlbeere oder Felsenbirnen von der Größe her. Ist schon immer wieder spannend zu sehen, wie ursprüngliche Früchte in der Savanne Afrikas aussehen. So ganz anders als im Orkos-Katalog! :-D

Allheilmittel aus der Natur
Aber man sieht auch mal mit welchen Problemen man heutzutage als Rohi, der sich wirklich ursprünglich ernähren möchte, konfrontiert wird:

Wo bekomme ich entsprechend gutes Wildfleisch und Wildfisch in ausreichenden (und bezahlbaren) Mengen her?

Wo finde ich noch ursprüngliche Beeren, Früchte, Knollen und Kräuter?

Wo gibt es denn noch Wildhonig, der auch, so in einer Doku über die Pygmäen gesehen, mineralstoffreicher und weniger süss ist?

Orkos mag ja gute, qualitativ hochwertige und reife Produkte anbieten, aber es sind eben fast alles Kulturfrüchte. Kompromisse werden uns also auch weiterhin begleiten und deswegen ist es auch unabdinglich, aufmerksam zu sein. Wir leben eben nicht mehr in der Savanne Ostafriakas, und auch nicht mehr in den Europäischen Urwäldern mit den entsprechenden Wildbeständen. Dieser Gesamtsituation gilt es Rechnung zu tragen. Und, hier schliesst sich der Kreis, die Kariesproblematik ist hier eben eine Art Indikator, der anzeigt, welche Probleme entstehen können, wenn man vergisst, dass wir eben 2015 leben und nicht 10.000 BC.

Die Jäger - und Sammler essen zwar Honig, aber essen auch entsprechend hochwertiges Wildfleisch / Wildfisch, was wieder ausgleichend und "heilend" wirkt, so jedenfalls auch die Forschungen von Weston Price. Darüber hinaus kennen sie wahrscheinlich dutzende Heilkräuter und andere Hilfsmittel, um auftretende Karies zu beherrschen. Hier verweise ich auf die Forschungen von Weston Price.

—————

Zurück