Nachtrag 2

26.08.2015 18:31

So, Fruchtzucker, die Dritte.

 

Wenn man sich umschaut, dann fällt auf, dass viele Menschen, trotz dass die Läden voll liegen und die Bäume unter der Last der Früchte zu brechen drohen, relativ wenig Obst essen. Darüber wundert man sich als Rohköstler, der seine Ernährung umgestellt hat, ja zumeist ziemlich. All die schönen Früchte, und keiner ißt sie! Was für eine Verschwendung.

 

Heute kam mir der Gedanke, dass es vielleicht genau die hier diskutierte Fruchtzuckermalabsorbtion ist, also nicht die seltene Intoleranz, sondern die mangelnde Verdaulichkeit von Fruchtzucker, die immerhin laut verschiedenen Quellen ja 30-60% der Europäer betrifft, die dazu führt, dass die Menschen INSTINKTIV wenig Obst essen. Dafür eben lieber Brot, Getreide, Kartoffeln, also ihre Kohlenhydrate aus anderen Quellen (Traubenzucker, Stärke) decken.

 

Ob diese Malabsorbtion nun im Laufe des Lebens erworben, oder genetisch determiniert ist, ist nicht rechtlos geklärt, aber gehen wir mal davon aus, dass sie genetisch ist, dann ist es also folgerichtig, dass wenig Früchte hier in Europa gegessen werden. Auch wenn die Bäume voll hängen. Und wenn, dann wird eben Saft daraus gekocht, oder Wein gemacht, wo der Zucker in Alkohol umgewandelt wird. Oder Marmelade und andere gekochte Sachen, wo der Zucker durch Hitze umgewandert wird. Das wäre tatsächlich eine Erklärung, wieso im Grunde so wenig Obst gegessen wird und vor allem wurde.

 

Die Aktion „5 pro Tag“ der Deutschen Krebshilfe hat dann laut Pollmer zu mehr Verdauungsbeschwerden geführt als dass sie etwas Gutes gebracht hätte. Pollmer ist hier zwar wie immer polemisch, spricht aber doch einen echten Sachverhalt an. Und jetzt, nach 16 Jahren Rohkost fahre auch ich an den vollhängenden Bäumen vorbei, sammle nichts mehr und esse lieber Gemüse oder traubenzuckerbasierte süße Sachen wie Mais oder Süßkartoffeln, als dass ich weiterhin so viele Äpfel und Birnen sammle wie früher und dann zumeist abends nur noch alleine im Zimmer verweilen kann...

 

Es ist im Grunde ganz logisch: als unsere Vorfahren hier vor x 10.000 Jahren hier ankamen, eventuell den Küstenlinien folgend und sich von Muscheln, Fisch, Robben, Algen, Wildgrün, Nüssen und Beeren ernährend, später dann auch von Großwild, da fanden sie einen dicht bewaldeten Kontinent vor. Mit wenigen Wildfrüchten. Wenn es dann mal Individuen in der Population gab, die vielleicht aufgrund einer Genmutation keine großen Mengen an Fruktose verdauen konnten, wie vielleicht noch die nordafrikanischen oder nahöstlichen Ursprungspopulationen, so war das aber in dieser Umgebung kein Überlebensnachteil. Wenn man gleichzeitig attraktiv war, ein guter Sammler, Jäger, Fallensteller, ein guter Musiker oder Sänger, so war dennoch eine hohe Nachkommenschaft gesichert. Und für diese war es ebenfalls kein Problem, dass keine hohen Dosen an Fruktose mehr verdaut werden konnten. Für die europäischen Verhältnisse waren andere Anpassungen erforderlich.

 

Und so ging es wohl weiter und weiter. Dann gab es Sesshaftigkeit und wieder gab es eine Verschiebung im Genpool.

 

Früchte wurden dann je nach Saison gegessen. Zumeist aber nur in kleinen Mengen. Eine Fruktosemalabsorbtion kann demnach auch als genetische Anpassung an eine kältere, fruchtärmere Klimate, oder gar an fruchtarme Gegenden im Allgemeinen angesehen werden. Wieso (Verdauungs)-Proteine produzieren, die niemand mehr braucht?

 

Erst im Zuge der Züchtungen kamen wieder größere Mengen an Fruchtzucker auf den Tisch. Äpfel, Birnen, Pflaumen. Alles aus fast ungenießbaren Wildformen kultiviert. Viele zur Weinherstellung. Viele zur Marmeladenherstellung, die dann auf Brot geschmiert wurde. So dass es hier wieder einen deutlichen Glukoseüberhang gab.

 

Es gibt ja mittlerweile einige Rohköstler, die keine Früchte mehr essen. Was angesichts dieser oben genannten Zusammenhänge auch nachvollziehbar ist. Es ist zwingend logisch, dass bei einer hohen Zahl an Menschen mit Malabsobtion auch diese in der Rohkost zu finden sind. Und jetzt kommt der springende Punkt: wie wird es denen ergehen, die eine Malabsorbtion haben, aber dennoch größere Mengen Früchte konsumieren? Ist es da nicht zwingend logisch, dass sich daraus dann Probleme ergeben? Zumal es ja zumeist hochgezüchtete Kulturformen sind.

 

Was hat das alles mit Entgiftung zu tun und wieso essen die meisten Rohköstler dann soviel Obst?

 

Betrachten wir mal den zweiten Teil zuerst: wenn man aus der Kochkost kommt, dann ist der ganze Körper mehr oder weniger darauf geprägt, seine Energie aus langkettigen Kohlenhydraten zu gewinnen. Aus Stärke, die dann umgewandelt wird. Schlussendlich dann aus Traubenzucker. Anscheinend gab es irgendwann auch mal eine Mutation, die es ermöglichte, mehr Stärke zu konsumieren als die noch jagenden Vorfahren. Nun, eine Mutation, die dann einen Vorteil bringt heißt... genetische Anpassung! Ich sagte ja bereits, dass durch die Sesshaftigkeit es wieder zu einer Verschiebung im Genpool kam. (Genau wie es eine Mutation gab, die es ermöglichte Milchzucker auch im Erwachsenenalter zu verdauen).

 

Wenn man dann auf Rohkost umstellt, dann ist natürlich das Obst die erstbeste Energiequelle. Alles andere schmeckt im rohen Zustand zumeist nicht, bzw. noch nicht. Und so konsumiert man eben täglich Früchte. Oft auch extreme süße Sachen wie Datteln und Honige. Wenn es dann zu einer Fehlbesiedelung das Darmes kommt, wird dann auch der Instinkt auf diese Früchte „geprägt“. Die Bakterien im Darm, sprich die Darmflora (müsste eigentlich Darmfauna heißen) beeinflussen den Instinkt ja maßgeblich. Somit erklärt sich dann auch, dass es trotz himmlischer Phasen zu Verdauungs- und anderen Problemen kommen kann. Und auch, wieso man so schwer von den Früchten lassen kann. Man wird hier etwas zum Sklaven der eigenen Darmflora. (Das Thema ist nicht neu, die ganzen Links dazu hatte ich schon mal gebracht an anderer Stelle.)

 

Jetzt kommt noch ein zweiter Punkt hinzu: Zuckersucht! Und die gibt es wirklich. Wenn man also aus der Kochkost kommt, mit seinen Übermaß an Industriezucker und da eine gewisse „Sucht“ entwickelt hat, dann ist es natürlich logisch, dass auch der Instinkt später unter dem Einfluss dieser Suchtmechanismen steht.

 

Kann man dem Instinkt unter diesen Prämissen uneingeschränkt vertrauen? Offensichtlich nicht! In der reinen Natur, in einem naturgegeben Habitat, in der Wildnis... ein uneingeschränktes JA. So meine Erfahrungen. Aber nicht in einer Kulturwelt, die maßgeblich darauf aufgebaut ist, die Instinkte zu betrügen. Guy-Claude Burger hat das ja auch klar erkannt und deswegen Hilfsmittel wie die „Himmlische Phase“ entwickelt. Oder den Malzeitenfahrplan, wo auch draufsteht, dass täglich Gemüse gegessen werden soll.

 

Machen wir uns mal nichts vor: ohne den Mut, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, geht’s auch in der Rohkost gehörig in die Hose. Und das sieht man ja auch überall.

 

Und was hat es mit Entgiftung zu tun? Natürlich wird durch die früchtebetonte Kost die Entgiftung gehörig angekurbelt. Aber dennoch sollte nach einer Weile wieder ein Normalgewicht hergestellt sein. Zuviele Früchte entgiften? Vielleicht. Vielleicht verhindert die Fehlbesiedelung des Darmes aber eine ausreichende Nährstoffzufuhr und Resorption und man bleibt deswegen zu dünn.

Und ja, am Anfang kann es zu Blähungen, Durchfällen und allerlei Erscheinungen kommen, die man wirklich einer Entgiftung zuordnen kann. Aber nicht nach fünf und mehr Jahren Rohkost. Dann stimmt etwas grundsätzlich nicht. Dann ist dies keine Entgiftung mehr.

 

Welche Lehren kann man daraus ziehen? Als erstes wäre es hilfreich, sich selber mal in Frage zu stellen und zu schauen, wieso man nicht mal drei, vier oder sieben Tage ohne süße Sachen leben kann. In der Natur ist es gang und gäbe, dass man immer wieder Zeiten der Abstinenz erlebt. Weiterhin wäre es hilfreich, den Malzeitenfahrplan mal kritisch zu hinterfragen und zu schauen, ob es wirklich Sinn macht, sich mittags mit süßen Früchten vollzustopfen. Und ob es nicht mal mehr Sinn machen würde, mittags reine Gemüsemahlzeiten einzulegen, die ja durchaus mit Tomaten und / oder Gurken abgerundet werden können. Weiterhin macht es auch Sinn, mal die Familientradition zu betrachten. Wie haben die Eltern gegessen, wie die Großeltern, wie vielleicht noch die Urgroßeltern. Was sagen die Paläoanthropologen zum Thema Ernährung in Europa? Wenn man sagen kann: in unserer Familie wurden schon immer viele Früchte gegessen, mein Opa liebte Pfirsiche, meine Oma wohnte fast im Kirschbaum... na dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es zur Familientradition gehört, viel Obst zu essen.

Mein Vater aber hasst Obst. Er ist viel lieber Gemüse, Salate und meidet Fruchtzucker total. Seine Mutter dito. Nur ab und an mal einen Banane. Meine Mutter verträgt auch kein Obst. Ihre Eltern haben auch wenig Obst gegessen, wenn dann auch eher Gemüse, Salate, Tomaten, Gurken, aber ansonsten eher Fette und tierische Produkte. Und vor dem Hintergrund ist es natürlich ganz logisch, dass ich auch wenig Obst vertrage. Und auch meine Brüder essen wenig Obst. Mal einen Apfel, mal eine Banane. Mehr nicht. Damit bleiben sie höchstwahrscheinlich unterhalb der kritischen Menge, die verdaut werden kann.

 

Früher dachte ich oft, sie scheuen die Entgiftung. Aber jetzt denke ich eher, sie sind bzw. waren einfach schlauer als ich. Und es wundert dann auch nicht, dass eben auch Kochköstler Verdauungsprobleme bekommen, wenn sie dann plötzlich viel Fruchtzucker konsumieren, was ichauch oft erlebt habe, als ich für andere was bei orkos mitbestellt habe und die dann tagsdrauf anfingen, auch Gase zu entwickeln.

 

Machen wir uns mal nichts vor: die Rohkost ist ein Experiment und wir können noch nicht behaupten, was wirklich für jeden funktioniert. Und das Hilfsmittel "Instinkt" ist angesichts der Züchtungsprozesse auch nur eingeschränkt nutzbar.

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