Alles steht Kopf

02.02.2018 19:59

Ich hab mir den Vortrag vom Maaz gestern noch bis spät in die Nacht gegeben. Der Mann hat es einfach drauf, recht komplizierte Zusammenhänge allgemeinverständlich darzulegen und ist immernoch mit Feuer und Engagement dabei. Der redet ja mit dem ganzen Körper und das ist immer ein Zeichen, dass jemand ganz in seinem Element ist. Man merkt ihm auch die Ungedult und die Dringlichkeit an, dass endlich das, was er da als richtig erkannt hat, in der breiteren Öffentlichkeit ankommt. Eben weil es Not-wendig ist.

Am Ende sagt er ja auch, dass er angesichts der Zukunftsaussichten pessimistisch, aber nicht resigniert ist. So sehe ich das auch. Angesichts der Entwicklung gerade und auch aufgrund des Fehlens von echter Entwicklung und offener Problemanalyse bleibt eigentlich nur die Krise, um eben mehr Menschen den nassen Waschlappen ins Gesicht zu hauen, damit die aufwachen.

Und die vom Maaz diagnostizierte Spaltung sehe ich auch viel im Netz.

Bei Facebook sind entweder viele Kritiker der derzeitigen Migrationspolitik am posten oder aber Menschen, die sofort die Nazikeule schwingen. Eine offene und ehrliche Diskussion findet nicht mehr statt. Im Gegenteil, es wird zunehmend zensiert. Das ist ein großes Problem.

Es fehlt eben einfach auch an Bildung! Machen wir uns da mal nichts vor.

Man muss sich folgendes klar machen: die Kirchen hatten die Gesellschaft jahrhundertelang fest im Griff. Zumeist zusammen mit dem Adel. Man hat die Köpfe und die Betten der Menschen beherrscht und sie somit kontrolliert. Und das war eben in Europa und auch in der islamischen Welt so. Und auch in China und in buddhistischen Ländern. Der Adel hat mit Hilfe der Religionen / Philosophien geherrscht. Auch in Tibet waren diese Strukturen vorhanden...

Irgendwann aber wollten die Menschen wieder mehr Freiheit und erkämpften sich diese auch. In Europa gab es die Aufklärung, wo Dichter, Philosophen, Wissenschaftler daran arbeiteten, Dogmen zu zerstören. Die Kirche verlor an Macht. Der Kapitalismus wiederum ließ den Westen wirtschaftlich aufblühen und die hohen Geburtenraten plus geringer Kindersterblichkeit durch medizinische Fortschritte ließ die Europäer und später die Amerikaner als ausgewanderte Europäer die Welt beherrschen. Es gab plötzlich große Städte und hier wurden die Möglichkeiten geschaffen, freier und liberaler zu leben, einfach weil man in der Masse der Menschen besser seine Nischen fand.

Irgendwann kam dann der Kommunismus / Sozialismus auch noch dazu.

Und in allen Ländern der Welt, die den Kommunismus / Sozialismus übernahmen, wurden die Kirchen nochmal ganz gewaltig zurückgedrängt. Das Menschenbild war der aufgeklärte, für die Gemeinschaft arbeitende, sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse berufende und aus Herrschaftsstrukturen befreite Mensch. Zumindest war das das was man uns im Staatsbürgerkundeunterricht vermittelte.

Es gab auch Bücher in der DDR, wie "Weltall, Erde, Mensch". Darin habe ich als Kind gerne gelesen und geschmökert, weil es nette Bilder der Urmenschen und der Urzeit enthielt. Aber auch Zukunftsprojektionen (nach dem Sieg des Kommunismus lol). Aber diese Zukunftsvisionen waren immer lebenswert! Schöne Städte, Unterwassersiedlungen, Raumstationen, alles fußte auf wissenschaftlichen Fortschritt UND aufgeklärte Menschen.

Sowas zum Beispiel:

https://www.retro-futurismus.de/images/binder/750/binder_mondstation.jpg

www.retro-futurismus.de/images/binder/750/binder_mondstation.jpg

Also so Wissenschaft und Technik plus der aufgeklärte Menschen = schöne Zukunft.

Deswegen waren die ganzen Linken, Sozialismus / Kommunismus ist ja DAS Beispiel für linke politische Einstellungen, auch immer große Religionskritiker. Von Karl Marx und Friedlich Engels, über Lenin bis in die DDR, wo man die Kirchen regelrecht marginalisierte (keine Taufe und Konfirmation, sondern Jugendweihe) und massiv entmachtete. Man berief sich hier auf Hegel, Kant, Weber, Marx...

Die Linken wussten einfach, dass die Kirchen / die Religion im Grunde Herrschaftsstrukturen waren und das sie im Herzen eben erzkonservative Einstellungen hatten. Und erzkonservativ ist eben politisch rechts. CDU / CSU zum Beispiel. Vater, Mutter, zwei Kinder, Taufe, Konfirmation, traute Familie, Ehe, am besten auch keinen Sex vor der Ehe, Bibeltreue und vor allem war die Frau eben vor allem Mutter und Köchin für die Familie. Abtreibung oder so richtig mal Gruppensex oder Sex mit mehreren Männern war da nicht vorgesehen. Und Homosexualität war auch nicht gerade der Bringer.

In den sozialistischen und somit linken Gesellschaften wurde also diese Kirche zurückgedrängt. Und das war vor allem für die Frauen auch befreiend. Abtreibungen waren im Osten ganz normal und die Frau "Herr"über ihren Körper und die Frau war absolut gleichberechtigt. In den liberalen Gesellschaften des Westens wiederum wurde dann auch die Homosexualität normalisiert und alternative Familienentwüfe waren möglich.

Wie gesagt, dass sind alles Verdienste von Linken und Liberalen Denkern und Relligionskritikern.

Ich will das nicht alles gutheissen, da man auch in einigen Bereichen übers Ziel hinaus geschossen ist. Frühkindliche Ent-Bindung zum Beispiel statt frühkindliche Bindung. Aber solange wie sich alles irgendwie die Waage hielt und jeder frei war, sich zu entfalten, war es OK.

Und das war nicht nur im Westen der Fall!

Auch in den arabischen Ländern kamen sozialistische Parteien an die Macht. Wie die Baath-Partei in Syrien und dem Irak zum Beispiel (wurden die deswegen platt gemacht, die Länder?). Auch hier wurden die Religionen stark zurückgedrängt. Man war weltlich orientiert und schaute sich etwas vom Westen und vom Osten ab. Und so kam es, das eben gerade die Städte weltoffen und westlich wurden. Man sah Mädels in kurzen Röcken, es gab Nachtclubs, es gab Sex vor der Ehe, es gab Partys und Lebendigkeit.

Und, ganz wichtig: die verschiedenen Religionen lebten recht friedlich nebeneinander her. Christen, Drusen, Aleviten, Sunniten, Schiiten, Jesiden, Juden. Hat soweit alles ganz gut funktioniert. 

Dann aber haben die Erzkonservativen in den USA diese ganzen Länder, oder viele davon platt gemacht. Und nun erleben wir den Aufstieg des erzkonservativen Islams in diesen Ländern. Vorbei ist es mit kurzen Röcken in Kabul, vorbei ist es mit dem friedlichen Zusammenleben der Religionen.

Tja... und so haben die Erzkonservativen in den USA eben die Erzkonservativen im Orient wieder zur Macht verholfen.

Es war natürlich alles etwas komplizierter, aber ich will es hier mal skizzenhaft darstellen, weil es im Grunde nur die Einleitung ist. :-D

Wenn man heute nun die Religionen ganz in linker Tradition kritisiert, sich quasi in den Spuren von Marx, Engels, Kant und Hegel bewegt, ist man plötzlich RECHTS, Rassistisch und ein Nazi.

Und diese Vorwürfe kommen jetzt von LINKS!

Man muss sich das klarmachen: mit enormen Opfern haben Liberale und Linke für mehr Freiheit, mehr Gleichberechtigung, mehr Entwicklung und Offenheit gestritten und die Kirchen zurückgedrängt und wenn man sich heute ganz in dieser Tradition bewegt, ist man rechts, wärend die Linken sich FÜR eine nun zugereiste erzkonservative bis reaktionäre Ideologie stark machen, die ihren wirklich links-liberalen Eltern als christliche Variante auf die Barrikaden trieb.

Da sind wir heute angekommen!

Übrigens: Adolf Hitler war ein glühender Verehrer des Islam als Religion, weil sie eben kriegerisch ist. Die Linken heute sind also im Grunde Adolf Hitler näher als ihren echten links-liberalen Eltern und Vorkämpfern.

Und wer heute ganz im Sinne links-liberaler Steitkultur nun den Islam als sich etablierende Herrschaftsstruktur kritisiert, ist sofort rechts, Nazi, rassistisch (man merkt in der ideologischen Verblendung nicht mal, dass eine Religion keine Rasse ist) und faschistisch.

Im Iran nehmen mutige Frauen ihre Kopftücher ab, riskieren Prügelstrafen und Knast und unsere "Linken" sehen das Kopftuch hier als Zeichen der Gleichberechtigung der Frauen.

WTF!

https://mrwgifs.com/wp-content/uploads/2013/09/Morgan-Freeman-Shocked-WTF-Reaction-Gif.gif

Die sind FÜR eine erzkonservativ bis reaktionäre Ideologie, die die Frauen eben nicht gleichberechtigt, weil die Rechten dagegen sind. Das ist alles.

Die Rechten haben das Feindbild "Islam" und schon ist man FÜR den Islam.

Ich halte die meisten Menschen, mit denen ich in der der Hinsicht heutzutage zu tun habe für schlichtweg dumm.

Nicht mehr fähig klar zu denken, ideologisch vollkommen verblendet und auch nicht mehr willens oder fähig, solche Zusammenhänge zu erkennen.

Links-liberal war IMMER scharfe Religionskritik. Auch in den arabischen Ländern! Die hatten ihre Denker und Kritiker genauso!

Und egal, welche Religion! Religion ist immer ein Herrschaftsinstrument. Und dagegen wurde immer von links-liberaler Seite angekämpft. Und mit Erfolg! Deswegen haben wir ja eine offene, tolerante, liberale Gesellschaft, wo man eben je nach Lust und Laune glücklich werden kann. Klar, es gibt VIEL zu verbessern, aber grundsätzlich ist jeder frei, und wer mit drei Männern leben will, der kann das und wer die klassische Familienvariante möchte auch.

Irgendwie steckt in mir eben doch noch die ganze DDR-Sozialisation drin. Da gab es keine Kirchen mehr, die Bedeutung hatten, da war Wissenschaft und Technik und Aufklärung angesagt. Wir hatten in der Schule ab der fünften beginnend Biologie, Geologie, Geschichte, Physik, Astronomie, Chemie, Technisches Zeichnen und Produktive Arbeit.

Wir hatten Rechtschreibung, Grammatik und Literatur als drei verschiedene Deutschfächer. Dazu Mathematik, Russisch und Englisch und richtigen Schulsport.

Als "Laberfach" gab es einmal die Woche ab der siebenten Klasse Staatsbürgerkunde. NIEMAND nahm das für voll.

Ansonsten waren Deutsch, Mathematik, Literatur und viel Naturwissenschaft die Basis der Schuldbildung.

Klar, die Krippen waren Scheisse. Das war ein großer Fehler.

Aber in der Verwandschaft haben die Kids heute schon Religion und Ethik in der zweiten Klasse. Hallo?

In der zweiten Klasse hatten wir Deutsch, Deutsch, Mathe, Deutsch. So sah der Stundenplan aus.

Und irgendwie empfinde ich Religionen als beengend. In der DDR gab es das nur ganz wenig bis garnicht. Wir hatten zwei evangelische Familien in der ganzen Schule, die haben beim Essen gebetet, da haben wir uns als Kinder kaputt gelacht. Irgendwie hat man das als Kind gespürt, dass das Mumpitz ist.

Wir sind da wirklich sehr frei und aufgeklärt aufgewachsen.

Tja... und nu sehen wir überall das Scheitern der Links-Liberalen, nein, nicht das Scheitern, die Degeneration. Die macht vor denen auch nicht halt. Degeneration des Denkens. Und dann übernehmen eben wieder die (erz)konservativen und eben echten Rechten das Ruder.

Es ist nur eben tragisch, dass sich nun gerade die "Links-Liberalen" zu den größten Fürsprechern dieser erzkonservativen Ideologien und zu den erbittertsten Feinden der Religionskritiker gemacht haben.

Da ist etwas ziemlich aus dem Ruder gelaufen...

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