Gartensterben

26.06.2018 17:20

Wir haben ja in Europa ein auf der Landwirtschaft basierendes Siedlungsgebiet gehabt. Städte und Dörfer haben sich so im Land verteilt, wie die Menschen aus der Umgebung ernährt werden konnten. War das Land fruchtbar, wie in Sachsen-Anhalt, waren die Dörfer enger beieinander. War das Land eher unfruchtbar und karg, wie nördlich von Magdeburg, so lagen die Dörfer sehr weit auseinander.

Die Städte waren zumeist Sitz der Kirchen, der Fürsten, der Handwerker und vor allem des Marktes.

Dann kam irgendwann die industrielle Revolution und die Städte schwollen an. In der Landwirtschaft wurden Kräfte frei, weil man nun auch Landmaschinen und andere Hilfsmittel hatte und die Menschen strömten in die Städte, wo sie in den neuen Industrien Arbeit fanden.

Aber noch immer lebte ein Großteil der Menschen auf dem Land.

Dann kamen Kunstdünger, Traktoren, Pestizide, Saatgut, Flurbereinigung und immer weniger Menschen wurden in der Landwirtschaft gebraucht. Und so wanderten sie in die Städte ab. Dieser Trend ist ungebrochen und so kämpft man weltweit (!!!) mit einer Landflucht, während die Städte weltweit rasant anschwillen.

Interessant ist, dass sich all diese Entwicklungen auf ein Geldsystem zurückführen lassen, welches ewiges Wachstum benötigt und somit die Innovationskraft antrieb, welche dann auch diese oben genannten Innovationen hervorbrachten.

Und so kommt es, dass sich die Menschen nun nicht mehr wie früher relativ gleichmäßig über das Land verteilen, dort Landwirtschaft und Gärten betreiben, ein Auskommen haben, heiraten, Kinder bekommen und sterben, sondern dass es mit der Industriealisierung zu einem Bevölkerungsboom und einer starken Clusterung (Ballung) der Menschen kam, die bis heute anhält und sich immer weiter verstärkt. Sieht man für Deutschland sehr schön hier: images.gutefrage.net/media/fragen/bilder/warum-ist-die-bevoelkerungsdichte-in-deutschlands-norden-so-niedrig/0_original.jpg?v=1380828279000

Mit dem Abwandern in die Städte ergeben sich für die ländlichen Gebiete natürlich viele Probleme. Eines davon ist dieses:

Jeder fünfte Kleingarten steht leer

Kleingärten gelten als "grüne Lungen" der Stadt. Doch obwohl so ein kleiner Garten bei vielen Familien mit Kindern beliebt ist, steht in Sachsen-Anhalt beinahe jeder fünfte Kleingarten leer – Tendenz steigend. Am Donnerstag wurde im Landtag beraten, was gegen den Leerstand unternommen werden kann.

In Sachsen-Anhalt steht jeder fünfte Kleingarten leer – Tendenz steigend. Das hat der Landesverband der Gartenfreunde MDR SACHSEN-ANHALT mitgeteilt. Von den insgesamt 113.454 Parzellen im Land liegen demnach etwas mehr als 20.000 brach. Zu viele, meinen die Linken im Landtag von Sachsen-Anhalt. In einer Aktuellen Debatte sprach die Linken-Abgeordnete Christina Buchheim am Donnerstag von einer "dramatischen Situation".

Buchheim erklärte, die Gründe für den wachsenden Leerstand seien vielseitig. Der demographische Wandel zähle dazu, aber auch Generationenkonflikte und Altersarmut. Auch gebe es im Supermarkt Obst und Gemüse im Überfluss. "Eigener Anbau lohnt sich nicht mehr", sagte Buchheim. Den Landtag forderte sie auf, Landesförderprogramme zu entwickeln.

www.mdr.de/sachsen-anhalt/landespolitik/landtag-diskutiert-leerstand-in-kleingaerten-100.html

Ganz ehrlich, wenn ich meine Ernährung nicht umgestellt hätte, würde ich nie und nimmer einen Garten haben. Nur weil ich mich auf die Rohkosternährung umgestellt habe und mitbekam, dass der Überfluss an Obst und Gemüse zumeist ein Überfluss an Schrott ist, habe ich mich die letzten drei Jahre so krumm gemacht und gegraben, gepflanzt, bewässert, geerntet, eingelagert... und das war richtig viel Arbeit und gemessen am Output eigentlich ein Minusgeschäft.

NUR wegen der Rohkost.

Ansonsten hätte ich NULL dafür getan.

Die Gründe für das Gartensterben werden sehr gut benannt. Abwanderung, die Alten haben entweder keine Kraft mehr, oder können es sich nicht leisten, die Jungen haben kein Interesse, oder arbeiten von früh bis spät und kaufen sich das bisschen, was sie an Obst verzehren, im Supermarkt.

Ergebnis: Gartensterben. Aber auch Sterben der Obstalleen, der Streuobstwiesen, der Kleinerzeugerstrukturen.

Wenn es je eine Krise geben sollte, Gott bewahre, werden wir so immense Probleme bekommen, dass Hungersnöte nicht ausgeschlossen sind.

Mit den Gärten stirbt auch Wissen, Know-how, Erfahrung.

Man muss sich immer vor Augen führen, wieso Gärten angelegt wurden: zum Überleben / Ergänzen der Versorgung.

Heute ist alles so billig und im Überfluss vorhanden, dass es sich einfach nicht mehr lohnt, Gärten zu betreiben. Und die Gärten sind ja nun nicht das erste Symptom. Davor gab es das Bauernsterben, der ewige Zwang, sich zu vergrößern, die Aufgabe alter Nutzungsformen usw usw... ALLES, was früher mal gut und paradisisch war, wenn man es mal so sagen möchte, ist doch kaputt.

Das ist eben der Preis des Wohlstandes. Gärten werden einfach nicht mehr gebraucht. Sie sind einfach zu teuer. Oder andersrum betrachtet, werfen zu wenig ab im Vergleich. Genau wie eben die Streuobstwiesen, die Kleinbauern, die extensive Schäferei usw usw... das ist alles im Vergleich zu teuer. Das alles braucht viel mehr Arbeitskraft und Arbeitszeit als die industriellen Lösungen und deswegen verschwindet das nach und nach.

Ich kenne Dutzende verlassener Gärten und schon wieder zu Acker umgewandelte Kleingartenstparten.

Der Kapitalismus ist zerstörerisch! Alles wird auf Effizenz getrimmt und darauf, den Preis zu drücken. Und deswegen lohnt sich ein Garten schlichtweg nicht für den Normalo. Ein Haufen Arbeit für ein paar Erdbeeren, bisschen Kohl und ein paar Kohlrabies? Das wollen sich viele nicht mehr antun, gehen statt dessen lieber ins Fitnessstudio oder was auch immer ihre Freizeitaktivitäten sind.

Und dann sehen wir bei den Gärten genau die gleichen Erhaltungsversuche wie bei Wiesen, Weiden, Almen, Trockenrasen usw usw..

Die ganzen Kulturbiotope sind damals duch die Nutzung entstanden. Aber nicht, weil man das schön fand, sondern weil nur so ein Überleben möglich war. Man hat es extensiv genutzt, um die Fruchtbarkeit zu erhalten. Und so entstanden artenreiche Kulturbiotope. Und die wurden solange erhalten, bis sich die Nutzung aufgrund von neuen Produkten wie Düngemittel, Futtermittelimport usw. änderte.

Und auch da versucht man nun, über Programme und Verträgen diese eigentlich zu teuren oder zu wertlosen Biotope zu erhalten.

Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Bündnis 90/Die Grünen) nannte Kleingartenanlagen einen "unverzichtbaren Teil" der Lebenskultur und grünen Infrastruktur. "In diesen Rückzugsflächen der Städte sind schon heute mehr Insekten und Pflanzen zu finden als auf landwirtschaftlich genutzten Flächen", sagte Dalbert. Es lohne jede Mühe, diese Oasen zu erhalten. Die Ministerin schlug vor, neue Konzepte für die Nutzung und Pflege der Anlagen zu erarbeiten. Sie verwies auf mehrere Förderprogramme des Landes, die für den Umbau von Kleingärten in Anspruch genommen werden könnten.

Mein Reden: nun versucht man es auch hier zu erhalten, indem man Geld reinpumpt. Muss man sich klarmachen: wir betreiben ein Wirtschaftssystem, dass sich alleine über den Preis regelt und wundern uns dann, dass alles auf Effizenz getrimmt wird und damit alles verloren geht, was schön und wertvoll, aber eben nicht mehr konkurrenzfähig ist und dann bezahlen wir aus Steuergeldern Programme, um das zu erhalten.

Wieso dann nicht gleich ein anderes Wirtschaftssystem erfinden, dass es nicht nötig macht, solche Kopfstände zu machen?

Wieso nicht Preise mit ökologischer Wahrheit? Dann wären die Pestizidäpfel und die ganzen Sachen, die heute schon auf Kosten der Gesundheit und der Natur erzeugt werden, erheblich teurer und schon regelt sich das.

Dann lohnt sich die Kleinerzeugung auch wieder und der Gartenbau.

Aber so? Wie kann man es den Jungen verdenken, wenn sie keinerlei Interesse an sowas mehr haben?

Die SPD-Fraktionsvorsitzende Katja Pähle schlug vor, Kleingärten teilweise für die Allgemeinheit zu öffnen und mit Schulen oder Jugendeinrichtungen zu kooperieren. Die Kleingartenvereine müssten sich solchen Perspektiven öffnen und den Bedürfnissen junger Menschen und Familien anpassen. Insbesondere in Städten seien Kleingartenanlagen als "grüne Lungen der Stadt" sowie als Ort für Begegnungen wichtig.

Die Kleingärten haben zum Teil sehr strikte Regeln und Auflagen. Zum Teil sind die auch sehr altmodisch und, wie soll man es nennen, "deutsch". Sprich da darf keine Brennessel oder irgendwas stehen usw. Das schreckt ab.

Die jungen Familien wiederum wollen oft nichts anbauen, sondern Rasen, ein paar Blumen, ein Swimmingpool und eine Hüpfburg. Das hat dann mit einem Garten oft nichts mehr zu tun, sondern ist Ausdruck der Spaßgesellschaft. Nichts mehr arbeiten, sondern Spaß haben. Grillen, hüpfen, baden, laute Musik und feiern im "Garten".

Genau das sind die Konflikte, die hier verklausuliert angesprochen werden. Wieso sollten sich die Kleingärten denn gegen junge Familien sperren? Das machen die nur, weil es da nicht mehr um das Gärtnern geht, sondern um alles mögliche, nur nicht mehr ums Pflanzen und Ernten. Und an das sollen sich die Kleingartenanlagen nun anpassen.

Für die AfD sagte Daniel Rausch, Kleingärten sorgten in den Städten für die Staubbindung und seien wichtig für Biotop- und Artenschutz. Auch böten sie Familien eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung und einen preiswerten Anbau von Nahrungsmitteln. Guido Heuer von der CDU betonte, der Leerstand bringe große Probleme für Kleingartenvereine mit sich. In der Pflicht seien die Kommunen. Sie müssten mit den Gartenvereinen reden und Lösungen entwickeln, etwa über Flächennutzungspläne.

Man muss sich auch folgendes vor Augen halten: Die Rechten setzen sich ja sehr stark für den Erhalt von regionalem Saatgut ein (da gabs sogar mal einenArtikel im Dreschflegelkatalog), sie gründen sogar Siedlungen, gehen zum Teil wieder zurück aufs Dorf und leben dort in "völkischen" Gemeinschaften, sie singen die alten Lieder und wollen die Heimat schützen und erhalten. Im Grunde also das, was man bräuchte, um die Dörfer wiederzubeleben.

Da sitzen dann die Kinder mit blonden Haaren und schöner Tracht in der Schule, die Mädchen mit geflochtenen Zöpfen und sie sagen noch "Guten Morgen!" und "Guten Tag!" und dann ist das aber auch wieder Mist.

Das will man dann auch nicht. Dann lieber alles verfallen lassen.

Es ist alles so absurd. Die Angst vor den Rechten treibt immer schrillere Blüten. Guckst du hier: www.stern.de/panorama/gesellschaft/rechtsextremismus--apothekenblatt-warnt-vor-blonden-maedchen-mit-roecken--7069140.html

Also welche Angst müssen da mache Menschen haben, dass sie selber rechts sind, wenn nun schon jede, die blond ist und sich die Haare zu Zöpfen fliecht, im Verdacht steht, rechts zu sein?

Und die CDU? Na ja, die sind neoliberal, sprich, alles für den Gewinn, Wirtschaftswachstum über alles, und die schieben die Verantwortung dann auf die Kommunen. Seht zu, wie ihr damit klar kommt.

Und so sterben die Kleingärten nach und nach ab. Die Alten schaffen es irgendwann nicht mehr, die Jungen haben kein Interesse, oder wollen Hüpfburgen und Swimmingpool. Aber auch die Obstallen sterben, die Streuobstwiesen, die Trockenrasen, ach.. ich wills nicht wieder aufzählen.

Dieses Wirtschaftssystem ist eben am Ende... ganz am Schluss... maximal zerstörerisch. Wie Krebs.

Das Leben wird ausgesaugt und der ganze Organismus umgebaut zu etwas, was nicht mehr harmonisch organisiert ist, sondern das wild wuchert und alle lebenswichtigen Organe befällt und alle Lebensenergie aussaugt, nur um am Ende mit dem befallenem Wirt auch zu sterben.

Ewiges Wirtschaftswachstum. Ewiges Anwachsen der Guthaben (und dann natürlich auch der Schulden). Immer mehr Effizienz, Rationalisierungen, Wachstum, Produktionssteigerung, Konsum. "Wohlstand" führen eben am Ende zur Zerstörung dessen, was früher das Leben erhalten hat.

Boden, Wasser, Klima, Luft, Tiere, Pflanzen und ihre Lebensräume. Das sind die lebendigen Glieder des Organismus Erde. Die sind alle über natürliche Wechselwirkungen miteinander verbunden. Und der Mensch hat Jahrtausende recht harmonisch in diesem Gefüge gelebt.

Längst vorbei. Mittlerweile sind alle Glieder des Organismus Erde befallen. Der Boden degeneriert, die Meere ausgebeutet und versauert, das Klima ruiniert, die Luft versucht und Tiere und Pflanzen und ihre Lebensräume wandern von der Natur auf die Rote Liste.

Und das Gartensterben ist ein winziges Symptom der Krise. Ein weiteres winziges Absterben von ehemals lebenserhaltenden Strukturen.

Und ich? Ich bin Teil des Immunsystems, dass gegen diese Krankheit kämpft.

Obwohl selbst das immer schwerer wird:

Die Dürre geht weiter.

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