Rituale vs Spontanität

03.01.2013 00:48

Heute ist mir spontan etwas klarer geworden, was mir schon länger so im Unterbewusstsein grummelte.

Eine Begebenheit aus der Vergangenheit fällt mir da vorab ein: als wir früher Rohkosttreffen (früher war alles besser! :-P) veranstaltet haben, gab es zumeist zwei Malzeiten (außer die Konzianer, die mussten DAUERND futtern - das ging früh los und ging bis in die Nacht!), wo wir einfach die Obst- und Gemüsekisten rausgekramt haben und jeder langte zu und aß dass, was in dem Moment am besten roch und schmeckte. Oft haben wir dann spontan danach Musik gemacht, gekuschelt, uns massiert oder sind spazieren gegangen. Viele Dinge liefen in den Tagen des Treffens sehr spontan ab. Es gab keinen Gruppenzwang. Jeder fand genau den, mit dem es einen Austausch gab. Wichtig war der Rahmen. In diesem Rahmen konnte sich das Leben spontan zeigen. Wie kann man sich das vorstellen? Es gab ein Treffen in Berlin (WAMOS hieß der Veranstaltungsort), wo wir zu viert (zwei Jungs, zwei Mädels) hingegangen sind. Nach dem Essen haben wir zusammen mit anderen Leuten, die wir da getroffen haben, spontan gekuschelt. Ich hab mich persönlich sehr zu einem Mädchen hingezogen gefühlt. Als ich sie berührte, war es elektrisierend. Und so wie sie gelächelt hat, fand sie es auch gut! Schlussendlich war es ein großer Knäul, wo jeder mit dem kuschelte, der richtig war. Und mehr ist nicht passiert! Es hat sich so spontan ergeben, weil wir einfach unseren Impulsen gefolgt sind. Als die Energie ausgetauscht war, sind wir wieder heim gegangen.

Oft wird versucht, mittels Anleitung die Menschen wieder in diese Richtung zu bringen. Man muss dabei aber bedenken, dass dies eben "aufgesetzte" Riten und Veranstaltungen sind, um den Menschen erstmal wieder aus seiner Verklemmung zu locken. Eine andere lustige Begebenheit war, dass ich irgendwo saß und leise Musik machte, während die anderen sich unterhielten. Dann setzte sich wer neben mich und trommelte mit, der nächste klimperte mit irgendwas rum bis schließlich alle irgendwie mitmachten! Das hat sich ganz spontan ergeben. Ich hab spontan Musik gemacht, der nächste fühlte sich spontan dazu hingezogen und machte mit und irgendwann war es, als ob der Funke (!) zu allen übersprang. Ein spontaner Ausbruch von freudiger Energie!

Wie man einen solchen Ausbruch auch zerstören kann, weil man eben die Spontanität nicht aushält, erfuhr ich 2009 auf einem großen Treffen. Viele Leute saßen um ein Feuer und wir machten etwas Musik. Irgendwas einfaches, wo viele Leute mitmachen können (Das Leben ist ja kein Unterhaltungs-, sondern ein Mitmachprogramm). Es kam wieder zu einem Anschwellen der Energie. Ich erinnere mich noch sehr gut, wie eine Frau, die vor mir saß, wirklich echt verzückt wirkte, weil sie mitgetrommelt hat. Es war wahrscheinlich das erste Mal für sie, dass sie in einer "Band" spielte! Sie war permanent aus dem Takt, aber wen juckt das? Für sie (und andere) war es genauso magisch wie für mich (sowas sieht man an den Augen) - aber wie krass war der Bruch, als plötzlich die Discomusik aufgedreht wurde, weil das ja jetzt auf dem Plan stand! Ich war fassungslos. Diese Gruppe, die das organisierte, war für mich eh das unspontanste und verklemmteste, was ich bis dahin kennengelernt habe.

Eine weitere Annekdote: ein Freund von mir, der sich auch instinktiv ernährte und der sehr feinfühlig war, hat mir mal, als ich irgendwas blöd von einer Rohkostgemeinschaft laberte, mit seinem Hemd ins Gesicht geschlagen. Nicht sehr doll, doch so, dass ich vollkommen verdutzt war, weil er eigentlich der Frieden in Person ist und auf Nachfrage sagte er: Ich hatte den Impuls! Das war ZEN!! Mein Ego schluckte zweimal und dann wurde es mir aber klar, warum er so gehandelt hat! Weil ich da einfach von was geredet habe, von dem ich keine Ahnung hatte.

Schlussendlich hat aber diese Spontanität genau zum Richtigen geführt. Und bis heute denke ich, wenn ich irgendwo wieder mal was daherlabere, an diese Ohrfeige! Und reiße mich dann hoffentlich zusammen! :-)

Mittels Riten und vorgestrickter Handlungsabläufe kann man das alles nicht einfangen! Wie grausam und unbefriedigend wäre es gewesen, wenn da jemand eingegriffen hätte, nur um eine Übung draus zu machen!

Aus meiner Sicht ist es wichtig, deswegen zu erkennen, was eine Übung, ein Ritual oder ein Symbol ist und dass das eben nicht spontan ist! Irgendwann muss man davon loslassen! Mir ist aufgefallen, dass grade Menschen, die aus der alternativen Szene kommen, die meisten Probleme mit der Spontanität haben! Es wird mehr der Ritus gepflegt, statt der Lebendigkeit des Augenblicks, der sich in unseren Herzen wiederfindet, zu leben. Die Ursache liegt meines Erachtens darin, dass diese Menschen aus der Alternativen Szene kommen und eine Karriere in Tantra-, Meditations-, und Friedliche Kommunikationsworkshops haben, in verschiedenen Gemeinschaften lebten, in denen sich allerlei Riten und Rituale, also symbolischer Handlungsweisen bedient wird, die aber nicht das wirkliche Leben sind, das sich in jedem Augenblick in den Herzen der Menschen wiederfindet. Oft sind die Menschen aus dem normalen Alltag offener und spontaner als die "Alternativen".

Ich glaube, das Menschen, die aus dieser Szene zur Rohkost kommen, sich oft leer fühlen, wenn man zu einem Treffen keine Riten und Rituale veranstaltet, keine Redekreise, keine geführten Meditationen und Atemübungen. Man kann sich da tatsächlich schnell alleine fühlen. Das Problem: wenn man mal so ein Treffen erlebt hat, wo es spontan immer zum Richtigen kommt, wo am Ende, obwohl keine Sau irgendwas besonderes gemacht hat, ausser vieleicht dem anderen IM RICHTIGEN MOMENT die Hand auf den Arm zu legen und Nähe zu vermitteln, oder spontan im richtigen Moment auch mal weg zu gehen und den anderen alleine zu lassen oder auch spontan mal die 5 Tibeter anbietet, wenn man mal sowas erlebt hat, empfindet man alles andere als weniger spannend.

Das ist "uns" - wir waren damals eine kleine Gruppe von jungen instinktiven Rohköstlern, stark während eines geführten Treffens eines bekannten Rohkostautors bewusst geworden. Wir trafen uns einen oder zwei Tage vorher und es war ein ungezwungener und spontaner Austausch da. Wir sind dann zum Treffen gefahren und dort gab es ein Programm. Aber wir alle haben das eher als störend empfunden. z.B. saßen wir einmal zusammen und erzählten was und lachten, als es plötzlich hieß: so, alle zum Tanzworkshop. Und das fühlte sich vollkommen falsch an, als wir aus dieser Umgebung, wo sich grade etwas entwickelte zwischen den Leuten, rausgerissen wurden. Plötzlich wurde ein CD-Player aufgedreht und es gab, wer hätte das gedacht, spirituelle Weltmusik, zu der wir dann allerlei Tanzereien aufführen mussten. Das muss man sich mal vorstellen: wir sollten damit etwas erkennen, was wir doch schon vorher hatten! Es wurde mit dem Werkzeug das Kunstwerk zerstört. Eine gute Freundin sagte dann nach dem Treffen: wäre besser gewesen, wenn wir nicht gefahren und lieber an dem anderen Ort geblieben wären. Kurioserweise waren aber wieder die Leute, die sich für sehr alternativ hielten, vollkommen angetan von diesem Programm!

Aber ist das nicht Verrückt? Das Festhalten an den Riten und Symbolen, die zum Richtigen, zum LEBEN führen sollen, hindert genau daran, das Leben zu leben! Und das, nachdem man soviel Geld ausgegeben hat! Irgendwie tragisch! :-/

Mich hat es zum Teil auch echt wütend gemacht, wenn diese Riten und Regeln das Leben, wie es sich grade spontan ausdrücken will, in einen Rahmen zwängen will. Vielleicht liegt es daran, dass wir nicht mehr so mitfühlend sind, auch die Bedürfnisse des Schwächeren zu FÜHLEN, oder die Situation zu erfühlen. Also brauchen wir irgendwelchen Hokuspokus, um da wieder zu lernen, denjenigen auch zu Wort kommen zu lassen. Hokuspokus lieben wir ja eh.. wer wissen will, was ich da meine, braucht sich nur bei Youtube Videos über Osho ansehen, wo die Leute dümmlich-verzückt Grinsen, obwohl da sogar mein besoffener Nachbar sofort spürt, das da grade NICHTS ist... und genau deswegen sagt der: was für Vollidioten! Das ist der selbe Nachbar der sofort auch ergriffen ist, wenn er etwas ECHTES sieht und erlebt. Was ist dieses Echte? Das ist das Leben, wenn es sich spontan zeigt!

Zum Thema Spontanität fällt mir grade noch etwas ein: es gab mal ein recht großes Treffen in Neumünster. Die Teilnehmer waren zur Hälfte ca. vegane Rohköstler und zur anderen Hälfte Leute, sie sich eher instinktiv ernährten. Irgendwann gab es mal einen Redekreis, nachdem die Veganer ca. 3 Stunden lang einen Plan ausheckten, wie und was man denn machen könnte. Ich erinnere mich noch, wie einer das Wort erhob und irgendwelche Pläne offerierte, als mich plötzlich ein unglaublicher Fluchtimpuls erfasste und neben mir alle Nicht-Veganer hochsprangen und weggingen! Nur meine "gute Erziehung" ließ mich da hocken bleiben, irgendwie tat er mir auch leid, aber die anderen Veganer waren vom Pläneschmieden anscheinend sehr viel mehr angetan! Jedenfalls musste ich mich echt zusammenreißen, um nicht auch abzuhauen! Irgendwas war da falsch! Irgendwas war da so verkehrt, dass die halbe Bande schlichtweg die Flucht ergriff! Vielleicht weil sie spürten, dass da etwas falsch war. Und so kam es, wie es kommen musste, dass Leben läuft den Plänemachern regelmäßig davon!

Das hier ist das Auswilderungsprogramm! Als fangt an, euch wie in freier Wildbahn zu ernähren und fangt an zu kuscheln (wenns passt und sich gut anfühlt - auch hier gilt: Genuss ist der Kompass)! Das Kuscheln ist das Groomen der Menschen! Folgt eurem Herzen!! Seid liebevoll zu einander! Werdet wieder liebevolle Menschentiere. Werdet wieder wie die Kinder!!! Das kann man wunderbar zu solchen Gelegenheiten üben!

Nur zu!! :-)

 

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